Spanien Herbst 2021 – Tag 11 – 294km – Astorga

Heute stehen wir mal auf obwohl es noch stockfinstere Nacht ist. Wir schreiben noch die Berichte von gestern und dann ziehen wir uns an und laufen los in Richtung Markthallen. Auf den Strassen ist die Hölle los. Unmengen Kinder mit Ihren Eltern sind auf dem Weg in die Schule oder zum Schulbuss. Um 9:30 Uhr sind wir an den Markthallen und wundern uns dass diese wie ausgestorben wirken. Na gut einige Stände haben noch geöffnet… oder schon geöffnet? Die Dame an der Rezeption des Hotels hatte gestern gemeint dass die Markthallen „sehr früh“ öffnen. Sehr früh wäre für uns Deutsche wohl eher so 5 Uhr Morgens. Für die Spanier ist es wohl eher so 10 Uhr bis 10:30 Uhr. Wir schlendern durch die leeren Hallen und schauen uns die wenigen Stände an welche bereits geöffnet sind. Was zum Frühstücken kriegen wir hier auf jeden Fall noch nicht, also geht es nochmal in die Stadt. Wir laufen zu einer Metzgerei und kaufen dort ein Bocadillo de jamon, welches wir uns teilen. Danach gibt es bei einem Bäcker noch was süßes bevor wir wieder zum Hotel laufen um zu packen und auszuchecken. Um 10:45 starten wir dann in die Tagesetappe.

Heute regnet es zwar nicht, aber die Wolken hängen tief und es ist ziemlich frisch – okay… Anja sagt es ist kalt. Weil Kalt ist dann wenn die Griffheizung voll läuft und das tut sie bei Anja. Die Route heute beginnt unspektakulär. Wir kommen flott voran und so sind die ersten 100km rum bevor wir sie richtig wahrnehmen. Immer schön kurvig und mit wenig Ausblick dank der Wolken. Immer wieder sehen wir Pilger da wir uns heute am Jakobsweg orientieren, nur halt gegen die Richtung. Egal wo man hinguckt findet man Zeichen des Camino. Die Muschel wird für alles hergenommen – Geländer, Gully Deckel, Mülleimer.

In Samos halten wir neben dem Kloster an einer Bar. Uns ist kalt, also wollen wir was warmes trinken. Zum Tee und Kaffee gibt es Schokocroissants. Man merkt wie unsere Körper die Energie und Wärme aufsaugen. Wir sitzen gefühlt ewig hier drinnen und wollen gar nicht mehr los. Zu dröge ist der Weg heute und zu wenig einladend das Wetter. Als wir uns dann endlich doch aufraffen beschließen wir noch ein paar Meter zu laufen und zu fotografieren. Die Bewegung tut gut und wir kommen dabei noch mit einer Pilgerin ins Gespräch. Als wir dann nach über einer Stunde weiterfahren kämpft sich langsam die Sonne ein wenig durch. Das hebt die Laune und spätestens als die ersten blauen Fetzen am Himmel zu sehen sind heisst es wieder – Put your hands up in the air!!! Die Landschaft gibt so beleuchtet auch wieder mehr her, das kann aber auch an den Hügeln liegen die einfach ein anderes Bild abgeben. Schnell noch an einer Repsol Tankstelle die Benzinfässer aufgefüllt, dann geht es auf eine improvisierte Route weil die geplante vollgesperrt ist.

Kleinste Strasse, tolle Kurven, geniale Ausblicke und es wird spürbar wärmer! Zurück auf unserer Route geht es wieder eher langweilig auf einer größeren Strasse durch ein kleines Weinanbaugebiet. In Ponferrada halten wir und ich laufe eine Runde an der Burg herum und mache ein paar Bilder. Der Weg zum Cruz de Ferro ist dann der Wahnsinn! Kurven satt, Bombenwetter und nix los. Auf ca. 1500 Höhenmeter steht ein eisernes Kreuz auf einem Holzstamm, der wiederum auf einem Hügel steht. Die Pilger legen hier einen Stein ab, den sogenannten Sünden- oder auch Sorgenstein. Das Kreuz steht auf dem höchsten Punkt des Camino und die Pilger sollen ab diesem Ort frei von Sorgen den Restweg nach Santiago genießen.

Die Landschaft verändert sich nach dem Überqeueren des Berges mit dem Kreuz deutlich sichtbar. Vorher noch vorrangig grün und saftig sieht jetzt alles braun und verdorrt aus. Keine Farne und saftigen Wiesen mehr sondern dürres Gras. In Astorga dürfen wir die Moppeds in eine Garage stellen und schleppen unser Gepäck dann um zwei Strassenecken zum Hotel und ins Zimmer. Schnell noch umziehen, dann laufen wir los, die Stadt erkunden. Anfänglich hatte es heute so ausgesehen als ob wir bis spätestens 16 Uhr im Hotel wären, nachdem das Wetter und die Landschaft aber deutlich besser wurden haben wir dann doch bis 18 Uhr gebraucht.

Wir schauen uns den neogotischen Bischofspalast von Antonio Gaudi und die Kathedrale Santa Maria von außen an, dann suchen wir die geöffnete Churreria in 220m Entfernung vom Hotel. Endlich Churros! Denkste. Churros gibt es nur vormittags. Somit wäre auch geklärt was wir morgen Frühstücken 😀

Wir schlendern ziellos durch die Stadt, fotografieren ein bisschen und schauen uns die Bars an. Um 20 Uhr setzen wir uns dann in eine rein und bestellen erstmal Dos Vino Tinto de Casa und Anja stellt fest dass wir die Bar mit der schlechtesten Google Bewertung (3,3) in ganz Astorga gewählt haben. Da aber viele Einheimische hier sitzen bestellen wir in einer kurzschlussreaktion beide Croquetas statt einfach auszutrinken und uns etwas anderes zu suchen. Die Croquetas waren dann lecker und wir aufgrund der Anzahl 2×6 auch ziemlich satt. Auf dem Weg zurück zum Hotel überlegen wir ob wir nochmal eine Bar aufsuchen und noch eine Kleinigkeit nachlegen, entscheiden uns dann aber für Süßkram (Spezialitäten aus der Region) aus einem Laden neben dem Hotel. Das Zeugs essen wir dann noch im Zimmer – 2 der 3 Sachen waren richtig lecker. Dann noch schnell Routenplanung und Unterkunft für morgen bevor wir heute mal ein bisschen früher schlafen.

Unterkunft: Hotel Gaudi

Spanien Herbst 2021 – Tag08 – 286km – San Martin de Oscos

Unser Rhythmus verschiebt sich immer mehr und irgendwie widerstrebt mir das. Um 8 Uhr ist es noch vollständig dunkel, das lässt uns früh kein bisschen in die Gänge kommen. Es passt ja eigentlich gut mit dem späten Abendessen der Spanier zusammen, aber der Mensch ist halt irgendwie ein Gewohnheitstier und ich/wir sind es gewohnt im Urlaub früh ins Bett zu gehen und früh in den Tag zu starten. Das Frühstück heute ist spanisch spartanisch. Baguette, Marmelade, irgendwas süßes und als Entgegenkommen für die nicht Spanier ein klein wenig Wurst und Käse. Es ist neblig und regnet, das ist auch nicht förderlich uns in Wallung zu bringen. Um 10:30 starten wir dann trotzdem warm und wasserdicht verpackt in den Tag.

Der Weg aus den Picos de Europa ist geprägt von dem Gedanken an nasses Laub auf den kurvigen Strassen. Dazu kommt die schlechte Sicht durch den Nebel. Wir können nur erahnen was uns an Ausblicken auf die Landschaft hier entgeht. In Cangas de Onis gibt es eine alte römische Brücke, ich nutze den Fotostopp um meine Brille vom Regen zu befreien und damit die Sicht wieder ein wenig zu verbessern.

Nun geht es auf eine größere Strasse und wir kommen immer wieder durch Dörfer und Städte. Die Ausblicke sind schön, aber nicht superlativ. Wir sind verwöhnt vom Wetter und den Picos gestern. Der Regen, der Nebel welcher sich nur langsam auflöst und die „gewöhnliche“ Gegend üben da wenig Reiz aus. Anja will mir etwas übers Sena Headset sagen, ich höre noch ein knacken und die ersten drei Buchstaben, dann ist es still in meinem Helm. Das Sena 10 EVO hat sich verabschiedet. Mal wieder… scheinbar darf man das Gerät nur im trocknen benutzen. Wir halten an und ich versuche es irgendwie wieder zur Arbeit zu überreden. Das Mikro funktioniert und Anja kann mich hören, aber die Kopfhöhrer bleiben stumm, ich höre weder Anja noch Ansagen vom Sena selbst. Nach 15 Minuten gebe ich entnervt auf. Dann eben wieder wie früher ohne Stimmen im Kopf… oder halt nur noch mit meinen Eigenen.

Wir fahren auf Oviedo zu als das zweite technische Gerät heute anfängt zu streiken – das Garmin Zumo 590LM meint mal wieder nicht meine geplante Route fahren zu müssen sondern eigene Ideen verwirklichen zu können. Die Neuberechnung der Route ist ausgeschalten, also dürfte das Gerät solche Ideen gar nicht bekommen… aber hier habe ich eine Fallback Lösung – Die Route ist immer noch als Track mit auf dem Gerät und so kann ich dieser Linie folgen. Durch eine Stadt wie Oviedo ist dies allerdings deutlich unbequemer als mit Abbiegehinweisen und Fahrspurassistent. Wie haben wir das eigentlich früher gemacht? So mit laminierten Landkarten in der Kartentasche…ohne die Möglichkeit in die Karte zu zoomen, Navi ansagen im Helm zu bekommen, den Hintermann einfach fragen zu können ob er die Ampel noch geschafft hat, vor einem Kreisverkehr dem Hintermann mitteilen zu können welche Ausfahrt man nimmt.
Da sind wir wieder beim Beginn des Tages. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und er gewöhnt sich schnell an angenehme Verbesserungen. Technische Geräte sind dazu da unser Leben leichter zu machen, den Fokus eigentlich mehr auf das Leben an sich richten zu können. Heute gelingt mir das nicht. Der Fokus liegt voll auf den technischen Geräten die nicht tun was sie sollen. Ich bin genervt von den Geräten und eigentlich noch viel mehr von mir selbst weil ich mich selbst so abhängig von eben diesen mache. Nach Oviedo fällt mein Blick eher zufällig auf meine Tankanzeige und ich stelle fest dass da noch eine Abhängigkeit ist. Die nächste Tankstelle nutzen wir für eine Pause. Anja sieht mir an wie genervt ich bin und umarmt mich erstmal einfach. Dann füttert sie mich mit frischer spanischer Mandarine während ich das Sena nochmal auf Werkseinstellungen zurücksetze. Siehe da es tut wieder was es soll. Das Zumo braucht 15 Minuten Überredungskunst, dann navigiert es auch wieder wie es soll. Und der Regen hat auch aufgehört.

Gefühlt beginnt der heutige Tag jetzt erst. Nach Oviedo biegen wir auf kleinere Strasse ab, haben wieder einen Ausblick und die Technik steht nicht mehr im Fokus. Trotzdem ist heute so ein Tag an dem man fährt um vorwärts zu kommen. Ich nehme mein Umfeld nur begrenzt wahr und der Genussfaktor ist beschränkt. Wir suchen nach einer Möglichkeit etwas warmes zu trinken, evtl was zu essen und uns ein bisschen aufzuwärmen. In einer Dorfbar werden wir fündig. Einige Einheimische spielen Karten, wir gönnen und Kaffee, Tee, was süßes und ein Bocadillo. Es macht Laune den Kartenspielern zu lauschen auch wenn wir nicht verstehen was sie mit Leidenschaft skandieren, aber es wirkt einfach Lebendig. Im Anschluss fahren wir durch Täler, folgen Flüssen, kommen an riesigen Industrieanlagen vorbei, überqueren noch einen Pass und mit eben dieser Überquerung wird die Laune schlagartig wieder gut. Warum das so ist… keine Ahnung. Vielleicht liegt es an dem Regenbogen welcher uns kräftig anleuchtet als wir den Puerto de Palo mit 1146 Höhenmetern überquert haben. An einem Stausee entdecken wir noch Mienenanlagen im Steilhang gegenüber. Spontan schießt mir Herr der Ringe in den Kopf, die Mienen von Moria…

Nun ist es nicht mehr weit bis zu unserer heutigen Unterkunft. Und wir haben mal wieder einen Jackpot gezogen. Die Hausherren sprechen keinen einzigen Brocken Englisch. Wir verständigen uns mit Gesten, Nicken, Kopfschütteln, den paar Brocken Spanisch die wir inzwischen können und Google Translate – da war sie wieder die Technik die alles so bequem und einfach macht. Das Haus ist ein altes Herrenhaus welches liebevoll restauriert wurde. Der alte Charakter wurde dabei komplett erhalten. Man fühlt sich wie im Museum. Die Zimmer sind warm und wunderschön. Die Frage nach Cena y Desayuno wurde mit Si beantwortet und so sind wir um 20 Uhr in einem Gewölbekeller um Abend zu essen. Es gibt drei Gänge – Nudelsuppe, für Anja Rinderfilet mit Kartoffeln und für mich eine Platte mit Chorizo, Jamon, Huevas (Eier) und Kartoffeln, als Postres gibt es Dulce de Leche und Milchreis. Zum Niederknien genial das Essen! Vino Tinto de casa und Wasser sind obligatorisch, dann gibt es noch einen Selbstgebrannten und zwei Sorten Cider zum Probieren. Wir müssen uns nun leider von der illustren Gesellschaft trennen da wir sonst morgen nicht fahrtüchtig wären wenn es so weitergeht. Buenas noches!

Unterkunft: Cabeza da Vila