Pyrenäentour 2017 – Tag 5 + 6 – 209 km – gestrandet in Prades

Wir versuchen möglichst früh aufzustehen um der größten Hitze aus dem Weg zu gehen. Unsere Erschöpfung verhindert dies aber halbwegs. So kommen wir erst um 7:30 Uhr aus dem Zelt und brauchen auch relativ lang bis wir gepackt haben. Wir wunderten uns noch dass es uns nicht aus dem Zelt geglüht hat um dann freudig zu erkennen dass zum Unmut unserer Platznachbarn der Himmel komplett bewölkt war. Zum Frühstück gab es schnell noch Croissants aus dem Shop des Campingplatzes. Um 9:30 Uhr sind wir dann endlich wieder unterwegs.

Unsere Zielsetzung für heute: Endlich in die Pyrenäen! Das restliche Stück Küste bis Argeles Sur Mer läuft ganz gut, auch wenn uns die Landschaft nicht reizen kann. Wir erreichen das erste Etappenziel für heute gegen 12 Uhr und legen einen kleinen Stop ein bei dem ich Elli ein wenig Öl gönne. Bei den Temperaturen verbraucht sie davon so einiges. Das war in Norwegen irgendwie auch weniger.

Von nun an soll es also gen Westen gehen bis wir den Atlantik erreichen. Das beginnt erstmal mit dem Verlassen des Großraumes Argeles Sur Mer auf etwas größeren Straßen. In Saint Jean Pla de Cortes biegen wir rechts ab und es beginnt. Kleinste Sträßchen, Kurve an Kurve ein Traum für jeden der nicht zwingend Rennstreckentempo haben muss. Wenn, ja wenn da nicht die Hitze wäre. Die Dörfchen auf oder an den Hängen sind dicht bebaut, meist kann man nur nebenan Parken und um in Moppedklamotten reinzulaufen ist es uns einfach viel zu warm. Ohne unsere Trinkrucksäcke würden wir das nicht überstehen. Sie ermöglichen es uns dem Körper regelmäßig Flüssigkeit zuzuführen. Unser Geschwindigkeitsdurchschnitt sackt ins Bodenlose, den zweiten Gang verlasse ich nur selten. Aber die Straßen machen Spass und es nimmt kein Ende. Wir fahren über den Col Xatard und den Col de Polomere. Straßenarbeiter warnen uns vor frischem Rollsplit und wir bedanken uns. Anja hat das „Merci“ schon mehr verinnerlicht als ich. Bei mir kommt immer noch automatisch ein „Thanks“ und dann erst ein „Merci“. Wir benötigen drei Stunden für 91 km. Es war eine wunderschöne Strecke genau so wie es uns gefällt und doch haben wir es nur zum Teil genossen. Anja kommt mit der Hitze besser zurecht als ich. Ich ziehe mich daran hoch dass es in Richtung Atlantik besser wird.

In Prades wollen wir tanken und unsere Wasservorräte auffüllen. Einen Plan machen wo wir heute Campen wollen. Ca. 50 km wollen wir noch fahren dann soll Schluss sein für heute. Während Anja einkaufen geht drehe ich meine übliche Runde um die Motorräder checke Ölstand, Reifen und die Ketten. Und dann fällt mein Blick auf den Spacer am Kettenradträger und ich sehe deutlich dass dieser sich in der Dichtung bewegt. Dies sollte nicht sein. Sofort liege ich am Boden und wackle am Kettenrad und tatsächlich es lässt sich 2-3 mm hin und her bewegen. F..k das Kettenradträgerlager hatte ich noch kurz vor dem Urlaub gewechselt. Nach nun knapp 1800km scheint dieses wieder defekt zu sein. Was sind die Folgen? Kann ich so weiterfahren? Kann ich so weiter in die Pyrenäen fahren wo wir noch schwieriger an Ersatzteile kommen? Klare Antwort: Nein!

Anja kommt mit dem Einkaufswagen zurück und sieht mich am Boden hinter dem Motorrad liegen. Wir beschließen eine Werkstatt in Prades zu suchen. Kein Wort Französisch zu sprechen erweist sich als nicht besonders hilfreich. Hier in Prades begegnet uns aber jeder freundlich und hilfsbereit. Mit Hilfe einer Dame aus einer Renault Werkstatt finden wir eine „Moto garage“. Der Mechaniker versteht mein mit Händen und Füssen beschriebenes Problem und hat leider kein passendes Lager vorrätig. Er kann aber eines bestellen welches Mittwoch vormittags in Perpignan verfügbar wäre. Da heute bereits kurz vor Ladenschluss ist und wir keine andere Alternative sehen bestellen wir es.

Nun heisst es hier abwarten bis wir das Teil am Mittwoch abholen können um es dann in der Werkstatt zu wechseln. Wir suchen uns über booking.com ein Hotel und fallen nach einem kurzen Vesper völlig erschöpft ins Bett. Bei mir ist irgendwie total die Luft raus. Wie schaffen es manch Langzeitreisende sich bei Defekten immer wieder zu motivieren? Ich bewundere diese Lebenseinstellung. Anja versucht mich aus der Depriphase wieder rauszuziehen dies gelingt ihr aber nicht bevor uns der Schlaf übermannt.

13 Stunden später wachen wir auf und sind immer noch völlig platt. Wir gehen nochmal die Optionen durch welche wir nach dem Lagerwechsel haben. Fazit ist wir müssen erstmal sehen was die Ursache für das Versagen nach nur 1800km ist. Wir brauchen etwas zu Essen also laufen wir los in Richtung Ortsmitte und stoßen auf einen fröhlichen französischen Markt. Hier gibt es alles was man fürs tägliche Leben so braucht. Nicht nur Nahrungsmittel und Kleidung sondern auch Matratzen oder Fenster kann man hier kaufen. Wir Essen Crepe und Churros zum Frühstück. Das technische Problem rückt für den Moment in den Hintergrund. Wir lauschen einer Musikgruppe und beobachten tanzende Menschen. Und das alles an einem Dienstag Vormittag! Wir kaufen Käse, Wurst, Obst, Gemüse und Brot um heute Abend etwas zu Essen zu haben. Dann geht es zurück zum Hotel. Die Hitze wird wieder unerträglich. Wir verbringen den Nachmittag im Zimmer. Anja liest und ich widme mich den Berichten der letzten zwei Tage und unseren Bildern.

Hoffentlich können wir das Problem mit dem Lager morgen Vormittag nachhaltig lösen so dass wir weiter fahren können. Wir wollen heute wieder bald schlafen und ich will um 7 Uhr bereits nach Perpignan aufbrechen um das Ersatzteil zu holen.