
Die Feierei im Gastraum hat uns völlig kalt gelassen, wenn wir mal schlafen, dann schlafen wir. Manch anderer hätte hier sicherlich keine Nachtruhe gefunden. Beim Frühstück werden wir mit einem grinsen gefragt wie wir geschlafen haben – ich glaube er wartet drauf dass wir uns beschweren. Mit einem Grinsen im Gesicht sage ich wahrheitsgemäß wunderbar! Wir haben die Wahl zwischen Omelette mit Käse, Omelette mit Schinken oder Spiegeleier mit Bacon. Wir wählen beide die Spiegeleier mit gebratenen dicken Speckscheiben, fluffiges Brot, Zwiebeln, Krautsalat und dazu Tee. Ich esse auch noch Anjas rohe Zwiebeln, davon werde ich wohl den ganzen Tag was haben 😀 Um kurz vor 9 Uhr sitzen wir auf den Moppeds und rollen vom Parkplatz. Wir drehen noch eine Dorfrunde auf der Suche nach einer Schneiderei oder Schusterei. Beim anziehen der Handschuhe hat Anja einen Finger ins freie gesteckt – sprich der Handschuh löst sich auf. Wir finden eine Schneiderei, diese lehnt aber ab Leder zu nähen. Naja dann muss es halt so gehen. Wir werden weiter die Augen offen halten.
Raus aus dem Ort, rein in den Nebel. Es ist heute auch zum ersten mal echt kühl! Das Handy sagt 6 Grad – gefühlte 3 Grad. Relativ schnell fahren wir allerdings aus dem Nebel raus und gewinnen etwas an Höhe. Die ersten Fotostopps schreien uns förmlich an: „Fotografier mich!“ Nebel in den Senken zwischen den Hügeln und herbstliche Bäume. Beim 3 Stopp mängelt Anja an dass Ari nicht mehr anspringt. Ich gehe von mir selber aus als ich sie frage ob sie die Zündung anhat? Ja hat sie. Ob sie den Not Aus raus hat? Ja hat sie. Ob sie den Seitenständer richtig eingeklappt hat? Ja hat sie. Ob ich denke dass sie bescheuert ist? Nein denke ich nicht – ich gehe nur von meiner eigenen Dämlichkeit – ähhh Schusseligkeit aus. Vor Jahren habe ich mal versucht die Honda NTV mit dem Zündschlüssel anzulassen wie ein Auto… Hab echt 10 Minuten gebraucht bis ich geschnallt hab wie dämlich ich bin! Ich steig ab und schau mir die Misere an. Keinen Mucks macht die 650er – da kommt mir die Erinnerung an Julias (Mädchenmotorrad.de) Blogbeitrag aus den Pyrenäen -> Kupplungsschalter – ich wackel mal am Kabel und am Stecker -> Zack Ari springt wieder tadellos an. Danke Julia!
Bei den folgenden Stopps weigert sich Anja Ari auszumachen. Naja irgendwann heute beim Tanken oder so werden wir dann mal testen können ob sie wieder anspringt. Die 40km bis zur Bosnischen Grenze sind schnell geschafft (bis auf die Fotostopps). Zwischen den beiden Grenzposten liegen hier 4km Schlaglochstrecke, die Erinnerung daran kommt uns während wir sie fahren. Vorher mussten wir aber am Montenegrinischen Posten den Helm runter tun damit das Bild im Reisepass ordentlich verglichen werden konnte. Am Bosnischen Posten genügt dann wieder Helm aufklappen, dafür werden die TÜV Plaketten kontrolliert.
In Bosnien geht es landschaftlich so weiter wie in Montenegro – bewaldet, kurvig und hügelig bis bergig – schön da! Der Weg führt uns über eine relativ große Straße auf gutem Asphalt durch ein Tal. Bisschen Schattig und somit kühl ist es, ansonsten Bombe! Dann geht es in den Wald und die Straße wird einspurig. Auch hieran erinnern wir uns düster, fahren wir heute doch entgegengesetzt der Strecke von 2015. Mitten im Nirgendwo im Wald ist dann die Straße durch ein Fahrzeug aus dem Film Mad Max blockiert. Eine martialisch anmutende uralte Seilwinde aus Sowjetzeiten. Diese ruckt gerade ganz wild auf der Straße herum da sich der Baum am Seil verhakt hat und die Winde daran herumreißt. Wir (bzw. ich – Anja traut sich nicht) stellen das Mopped ab und warten geduldig bis wir bemerkt werden, signalisieren dann dass sie erst fertig machen sollen und nicht wegen uns unterbrechen. Also wird der Baum noch hochgezogen, die Winde dafür zweimal umgesetzt und dann machen sie uns den Weg frei. Drei Kurven weiter kommen uns im Affenzahn ein Auto und ein Sprinter entgegen welche gerade noch bremsen und ausweichen können. Ich steh auf jeden Fall in der Hecke… das war knapp! Mich würde interessieren wie sie an der Winde vorbeikommen. Dann geht es über eine Hochebene welche wunderschön ist in den herbstlichen Farben und wir kommen wieder auf eine größere Straße. Die Km vergehen heute in Relation zur Zeit eher langsam. Wir haben uns heute morgen für die 340km entschieden und ich bekomme langsam Bedenken ob die Entscheidung so gut war. An einer Tankstelle füllen wir die Moppeds, zahlen mit der Visa (sehr gut, da wir keine Konvertibel Mark haben) und Ari sprang auch auf Anhieb wieder an. Zur Stärkung gibt es ein Kitkat und ne Pepsi.
Dann geht es über größere Straßen weiter. In Kladanj stoppen wir so um 14 Uhr rum an einer Pekarna. Das Frühstück ist ne gute Zeit lang her und wir können ein bisschen Energie gebrauchen, Also fragen wir ob EUR akzeptiert werden und kaufen 4 kleine Burek – 2 mit Käse und 2 mit Fleisch. Wir essen sie schnell ohne die Jacken auszuziehen – es liegen noch einige km vor uns. Überhaupt haben wir heute keine längere Pause eingelegt, das merkt man langsam. Wir biegen wieder auf eine kleine Straße ab, fahren über mehrere Behelfsbrücken aus Holz und stoppen zwischen zwei Tunnels für eine Biopause. Am Fluss sieht man dass hier vor nicht zu langer Zeit ordentlich Wasser runterkam. Selbst das Gras hat sich noch nicht wieder aufgerichtet. Wir sind ein ganzes Stück von Jesenice entfernt wo vor einigen Tagen enorme Schäden bei Unwettern und Überflutungen entstanden sind. Noch ein paar km weiter endet der Asphalt und es geht auf Schotter weiter. Nochmal ein paar km weiter sollen wir im Wald links abbiegen, der Schotter wird lockerer und es sieht so aus als ob hier eine Straße mit mehreren Kehren über einen Bergkamm führen soll. Uns fehlt heute schon die Energie für eine derartige Aktion mit der Ungewissheit wie die Strecke aussieht, also drehen wir um und nehmen einen Umweg auf sicherem Asphalt in Kauf. Das bringt uns nochmal 33 km mehr auf die eh schon langen 340 Tageskilometer.
Auf dem Umweg sehen wir wieder ein gelbes Hinweisschild mit viel Text. Ich dreh nochmal um, um nicht wieder blind in eine Sperrung zu fahren. Ein freundlicher Passant der perfekt Deutsch spricht übersetzt mir das Schild. LKWs über 15T sind hier verboten. Dafür erzählt er mir noch dass es eine wunderschöne einspurige Straße durch ein Tal ist. Früher war das mal eine Eisenbahnstrecke nach Ungarn auf der Blei und Eisenerz transportiert wurde. Ich reiße mich los und wir bügeln das Tal entlang – naja wir folgen den bestimmt weniger als 15T wiegenden Holzlastern, bis uns diese vorbei lassen. Was sie auch wirklich zügig und bereitwillig tun. Die Schlucht ist wirklich wunderschön. Das Fahren allerdings anstrengend aufgrund der ständigen Bremsbereitschaft aufgrund des Gegenverkehrs auf der einspurigen Strecke. Die Zeit sitzt uns langsam im Nacken und wir werden nicht fitter. Wir lassen einen Audi überholen welcher uns von hinten anschiebt und hängen uns hinter ihn. Das „verfolgen“ mit Sicherheitsabstand kündigt den Gegenverkehr besser an und strengt nicht ganz so arg an. Man muss aber mal ehrlich sagen … der Audi fährt völlig gottlos und ohne Rücksicht auf sein Fahrwerk und die Felgen! Nach einigen Kilometern kurvenhatz ohne Blick für die Landschaft um uns halten wir an einer Moschee und sind einfach nur platt. Wir brauchen dringend ne Pause. Wir essen unsere „Notfallkekse“ welche erfreulicherweise 7 Stück sind. So können wir wunderbar 3/7 für Anja und 4/7 für mich teilen. Eine Formel die mal entstand als wir erkannt haben dass es für Anja zu viel ist wenn wir immer 1/2 zu 1/2 teilen. Ich freu mich über den einen Keks mehr! Nacken, Schulter, Hände sind heute völlig am Ende. Die Anspannung auf den kleinen Strecken ist brutal.
Die letzten 75km sind dann ziemlich viel auf einer größeren Straße und bedeuten mitschwimmen im Verkehr. Der Himmel wird rot, die Sonne verschwindet hinter den Bergen welche wir nochmal ein bisschen hoch fahren. Ein letzter Fotostopp (wir haben Bosnien heute sowieso viel zu wenig gewürdigt – es ist wunderschön!), dann rollen wir auf den Parkplatz der heutigen Unterkunft. Wir wollen nur noch aufs Zimmer. Im ersten Zimmer geht das Licht nicht, also bekommen wir ein anderes. Das Zimmer ist ernüchternd – but you get what you pay for. 29 EUR für die Übernachtung mit Frühstück. In unserem momentanen Gemütszustand fällt es uns aber schwer uns darauf einzulassen. 340 km waren einfach zu optimistisch und haben zu viele Körner gekostet, außerdem wurden es dann 373km. Wir wechseln Klamotten und wandern zum Ausgleich fürs viele sitzen heute noch 3 km an der Schnellstraße entlang (1,5km und retour). Dann gehen wir ins Restaurant und bestellen Cevapi u Kajmak und Anja Rasnici, dazu selbstgebackenes megafluffiges Brot. Ne Fanta und Wasser werden dann durch zwei Rakija aufs Haus ergänzt. Das Zeug ist echt übel! Jasmina eine Freundin mit bosnischen Wurzeln hatte mich davor gewarnt in Bosnien Schnaps zu trinken! Bleib bei Bier hatte sie gesagt. Anja trinkt ihren nur halb, ich dafür meinen und Ihren Rest.
Funfact des Tages: Im Eingangsbereich der Unterkunft steht ein Snackautomat. Neben Snickers, Chips, Softdrinks, Whiskey und Bier sind auch noch einzelne Kondome und Viagra (5Eur) drin. Man kann sich also nen Ständer für 4 Stunden, ein Kondom, nen Whiskey und ein Snickers (wenn’s mal wieder länger dauert) kaufen.
Routenplanung und Unterkunftssuche verschieben wir aufs Frühstück, das Wifi im Zimmer funzt net und außerdem sind wir zu müde. Diese Zeilen entstehen auch erst am nächsten Tag.
Unterkunft: Guesthouse Ines Doboj