Skandinavientour 2016 – Tag 6 – 421km – Nordkapp

Meine Augen gehen auf und sehen mal wieder Regen. Moment mal es ist hell, dunkel wird es hier ja nicht mehr. Passt meine innere Uhr? Ein Blick auf die digitale Uhr sagt mir, dass sie nicht passt. Es ist 1:30 Uhr Nachts. Gut so, dann schlaf ich weiter, vielleicht hört es ja auf zu regnen. Der Wecker klingelt heute um 8 Uhr. Wir machen ihn aus und drehen uns rum. So gegen 9 stehen wir dann doch auf. Das Wetter hat sich seit heute Nacht nicht geändert, es regnet nach wie vor. Vielleicht hört es ja noch auf bis wir gefrühstückt haben und angezogen sind. Tatsächlich, nach einem ausgiebigen Frühstück mit Spiegeleiern und Gemüse lässt der Regen nach. Die Koffer packen wir schon mit nur noch vereinzelten Tropfen und als wir um kurz nach 11 Uhr starten, hat es komplett aufgehört.

In Kautokeino füllen wir nochmal die Tanks der Motorräder, da nun längere Zeit keine Gelegenheit dazu mehr kommen wird. Wir biegen bald von der 93 nach rechts ab auf die 92. Und so langsam geht uns auch das Motorradfahrerherz auf. Endlich Kurven und landschaftlich sehenswerte Strecken. Die 92 ist echt zu empfehlen. Lange Zeit geht die Straße an dem Fluss Jiesjaka entlang. Und Flüsse garantieren immer Kurven! Außerdem ist so ein Fluss in Norwegen nicht wirklich vergleichbar mit dem was man bei uns zu Hause so zu sehen bekommt. Viel Größer und viel wilder ist er. In Karasjok verlassen wir die 92 wieder und begeben uns auf die E6 in Richtung Norden.

Bis Porsanger hatten wir nun durchgehend Blauen Himmel. Die meiste Zeit war mein Klapphelm offen und ich habe den Fahrtwind genossen. Nun ziehen schnell dunkle Wolken auf. Wir stoppen um die Tanks zu füllen und Regenbekleidung überzuziehen. Nicht weil es regnet, sondern als zusätzliche Isolationsschicht, da die Temperatur absackt und starker Wind aufkommt. Ab Porsanger sind wir am Meer entlang unterwegs. Nun dreht Norwegen landschaftlich so richtig auf. Im fünf Minuten Takt möchte man anhalten und die Kamera aufs Stativ stellen. Es geht durch den Nordkap Tunnel welcher 212m unter dem Meer entlang führt. In Storbukt ist es dann ein letztes Mal, vor dem Erreichen des ersehnten ersten Etappenzieles, nötig die Tanks zu befüllen und im Supermarkt (REMA 1000) für Abendessen und Getränke zu sorgen. Auf den letzten Metern zu unserer Unterkunft kommt massiver Nebel auf und es wird zunehmend feucht.

Am Midnattsol Camping kurz vor Skarsvag beziehen wir eine kleine äußerst spartanisch eingerichtete Hütte und werfen Balast ab. Die letzten 13 km zum Nordkap fahren wir mit teilweise leeren Koffern. Bevor wir diesen Weg allerdings antreten, machen wir noch einen kurzen Abstecher nach Skarsvag an den Hafen. Die letzten 8 km vor dem Ziel sieht man fast die Hand vor Augen nicht mehr. Spaß ist das keiner. Rentiere direkt neben – manchmal auf – der Straße. Geschwindigkeiten über 20 km/h erscheinen tödlich. Fast hätten wir die Bezahlhütte übersehen. Wir reichen schnell die Kreditkarte durch und fahren weiter auf den Parkplatz. Helme ins Topcase, Tankrucksack mit Kameraausrüstung geschnappt und los in die Halle. Schnell durch und nach der Weltkugel gesucht. Tatsächlich, wenn man einen Meter davor steht, kann man sie sehen. Naja, bei schönem Wetter kann ja jeder! Die Zufahrtstickets sind 24 Stunden gültig und so beschließen wir morgen auf dem Weg zu den Lofoten nochmal hier vorbeizufahren. Wir schreiben noch zwei Karten und decken uns mit Aufklebern ein, bevor wir wieder zum Campingplatz zurückschleichen.

Wir waren da. Irgendwie ist das Ganze aufgrund des Nebels noch nicht so richtig bei uns angekommen. Der Ausblick von den Felsen aufs Meer fehlt uns doch enorm. Wir überlegen, ob wir unser Glück zur Mitternachtssonne versuchen sollen, die letzten Tage zeigen aber auch ihre Spuren und wir sind erschöpft. So richtig müde wird man aber auch nicht da es ja hell bleibt. Der Tag-Nacht Rhythmus erfährt so langsam aber sicher eine Störung. Da hilft nur eines: Vorhänge zuziehen und Augen zumachen. Dann ist es Dunkel und man schläft schon ein.

Morgen soll es nun weitergehen in Richtung Lofoten. Unser zweites großes Etappenziel auf dieser Reise.

Skandinavientour 2016 – Tag 5 – 426km – Endlich Norwegen: Kautokeino

Augen auf zum Klingeln des Weckers um 7 Uhr. Und was sehen die Augen? Regen… unendliche Mengen an Regen. Also rumdrehen und weiterschlafen. Es gibt so Tage, da will man nicht weiterfahren. Heute war so ein Tag. Gestern hat es uns ja schon ganz schön gewaschen da haben wir heute nicht schon wieder Lust drauf. Außerdem ist das ja eine psychologische Sache. Fängt es zehn Minuten nachdem man losgefahren ist, an zu regnen – naja, dann ist es halt so. Aber bei strömendem Regen losfahren ist da deutlich schwerer. Wir überlegen, was wir tun sollen. Den Tag, welchen wir rausgefahren haben im Bett verbringen? Oder einfach eine Stunde später starten und hoffen? Oder der Sprung ins kalte Wasser? Wir drehen uns erstmal nochmal rum. Dann packen wir lustlos die ersten Sachen zusammen, machen Frühstück aus den restlichen Champignons einer halben Zwiebel und vier Eiern und dann ringen wir uns zu einer Entscheidung durch. Wir fahren, aber ein bisschen später. Wir wollen heute bis Kautokeino in Norwegen kommen. Das wären ca. 400 km, da kann man schon mal ne Stunde später los.

11:11 Uhr die Motoren gehen an. Wir sitzen in voller Regenmontur auf den Bikes und die Dame an der Rezeption hat noch was von „lovely weather“ gebrabbelt. Sie muss wohl Engländerin sein, wenn sie den Regen so „lovely“ findet. Wir begeben uns auf die E10 und ziehen am Gas. Naja, soweit man das hier halt darf. Die Entscheidung loszufahren erweist sich als goldrichtig. Schon nach wenigen km lässt der Regen spürbar nach und es dauert nicht lange bis erste blaue Fetzen am Himmel auftauchen. Nun geht es recht flott und wir fahren unter leicht wolkigem blauen Himmel dahin. In Överkalix verlassen wir die E10 schon wieder und folgen erstmal der 392. Alsbald kommt auch einer meiner Waypoints auf dem Garmin in Sicht: der Polarkeis. Kurzer Stopp, den Selfiestick an die Actioncam montiert und ein Foto gemacht. Schon ging es wieder weiter. Immer das gute Wetter und die Reststrecke im Blick bemerkten wir, dass der Verkehr deutlich weniger wird. Weitestgehend darf man 100 km/h fahren und alle heilige Zeit überholt man mal einen LKW. Die 392 gefällt uns. In Pajala sehen wir den ersten Wegweiser nach Finnland. Ein deutliches Zeichen, dass die Grenze näher rückt. Finnland werden wir nur auf einem kurzen Stück durchqueren um nach Norwegen zu kommen. Die E21 geht entlang der Grenze in Richtung Norden und bringt uns damit dem Tagesziel zügig näher.

An der Grenze entledigen wir uns der Regenklamotten. So langsam wurde es ganz schön warm in dem Zeugs. Kaum in Finnland angekommen, haben wir auch gleich die ersten Rentiere gesehen. In völliger Gemütlichkeit laufen diese auf der Straße herum und lassen sich von den Fahrzeugen nicht mal Ansatzweise stören. Je weiter Nordwärts wir kommen, desto häufiger haben wir diese Begegnungen. Ich muss ehrlich sagen, diesem Teil Finnlands können wir nicht sonderlich viel abgewinnen. Immer niedriger gewachsene Bäume (vor allem Birken), eine lange Sumpflandschaft und unzählige Stechmücken. Wir können an dieser Gegend keinen Anreiz erkennen, nochmal wieder zu kommen. Wir sind froh als wir endlich die Grenze zu Norwegen passiert haben. Noch ca. 40 km bis Kautokeino, wo es drei Campingplätze gibt. Danach käme eine Strecke von 135 km ohne Campingplatz laut Archie Campings. Für uns heißt es also entweder einen der drei nehmen oder nochmal die Zähne zusammenbeißen. Wir decken uns in Kautokeino erstmal mit Norwegischen Kronen ein und gehen im lokalen Supermarkt shoppen. Dann nimmt uns das Wetter die Entscheidung ab. Der Himmel wird immer dunkler und es beginnt zu donnern. Wir entscheiden uns für den Arctic Camping Kautokeino. Schnell noch drei Hütten angeschaut und eine für uns ausgesucht, schon fängt es an zu regnen und wir bringen mit den ersten Tropfen unser Gepäck in unser Nachtquartier.

Heute siegt der Hunger über alle anderen Bedürfnisse und so machen wir uns schnell eine Suppe bevor es noch Gurke, Paprika, Tomaten, Käse und Brot gibt. Es gibt kostenloses WLAN, was wir auch gleich mit den Handys nutzen. Während dem Schreiben dieser Worte überkommt uns ein Schokoflash und wir müssen entsetzt feststellen, dass wir keine Schokolade dabei haben. Also zu Fuß nochmal zum Supermarkt und mit einem „kleinen“ Notfallvorrat eingedeckt. Der Rückweg wird allerdings zur Tortur, da Stechmücken über uns herfallen, als gäbe es außer uns zwei niemand anderen im Umkreis von 1000 km. Unser Plan war es, dass wir uns mit lokal erhältlichen Insektenschutzmitteln eindecken. Im Supermarkt gab es allerdings nur das gleiche Autan wie bei uns zu Hause. Kann uns jemand etwas Wirksames, was hier in der Finmark bekommen empfehlen?

Morgen geht es nun also endlich bis ans Nordkapp. Vorher werden wir aber eine heute gebuchte Hütte auf dem Midnattsol Skarsvag Campingplatz beziehen und Gepäck abwerfen.