Unser Start in den ersten Tag in Jerusalem wurde noch besser, als wir bei Sam´s Bagels waren. Läuft ab wie bei uns Subways nur mit Bagels und Hammer-Auswahl.
Wir betraten die Altstadt durch das Jaffa-Tor und Tobis Vorstellung war dahin. Keine Menschen in Sandalen und langen Gewändern, kein Dreck und Staub, keine Eselskarren… Tja wir sind halt nicht mehr im 1. Jh.
Gleich rechts befindet sich die Davidszitadelle, man kann durch die Ruine streifen, die Museumsräume begutachten und auf den Aussichtsturm hinauf. Wir nutzten diese Gelegenheit um uns einen Überblick über die Altstadt von Jerusalem zu verschaffen.
Danach schlenderten wir durch das Armenische Viertel, hier ist es relativ ruhig. In die St. James Cathedral kann man leider nur mit Führung rein und so standen wir unverhofft schnell schon am Zionstor. Als wir noch am Beraten waren, ob wir gleich den Berg Zion noch mitnehmen wollen oder wieder in die Stadt gehen, quatschte uns einer dieser nervigen Taxifahrer an. Zuerst auf hebräisch, weil er Tobi für einen Landsmann hielt und dann auf Englisch und wild irgendwelche Ziele vorschlagend, wo er uns hinfahren könnte. Es dauerte ein wenig, bis wir ihm begreiflich machen konnten, dass wir genau da sind, wo wir hin wollten und gerade weder auf den Ölberg, noch nach Bethlehem gefahren werden wollten.
Mir taten die Füße weh, ich wollte mich setzen und ich wollte Baklava. Beides fanden wir in einer Art Selbstbedienungsbäckerei… Böser Fehler, mich mit einer Gebäckzange und einer Schüssel da allein rein zu lassen. Nachdem ich eskaliert bin und Unmengen Gebäck, Kekse und Baklava in mich gestopft hatte, hatte ich extrem gute Laune und es konnte weitergehen.
Wir waren mitten im Jüdischen Viertel und standen direkt am Eingang der Sefardischen Synagogen. Schon hatte Tobi ne Leihkippa am Kopf und es ging los. Die vier Synagogen sind miteinander verbunden, ursprünglich war es eine, wurde aber auf Grund der wachsenden Gemeinde immer wieder erweitert. So Synagogen sind eigentlich recht angenehm, sie vermitteln nicht so das Gefühl Flüstern zu müssen und andächtig das Haupt zu neigen, vielmehr fühlt man sich wie in einem Wohnzimmer. In die Ramban und Hurva Synagoge warfen wir nur einen kurzen Blick, wir wollten die Anwesenden nicht stören.
Dann waren wir am/auf/ im Cardo und dem umliegenden Basar. Die Nord-Süd-Verbindungsstraße aus dem römischen Jerusalem wurde freigelegt und restauriert. Wir irrten fast planlos durch die Stände, beim ersten Mal durchlaufen verliert man leicht die Orientierung, wo man sich eigentlich gerade befindet. Aus jedem noch so kleinen Raum wird irgendetwas verkauft, Ramsch für die Touris, Herrenanzüge, Farben/Lacke, Drogerieartikel, Unterwäsche, Gewürze, Fleisch, Süßes.
Ausversehen standen wir schon an den Sicherheitskontrollen zur Klagemauer und waren auch schnell durch. Wir trennten uns, Tobi mit Leihkippa auf die Männerseite, ich auf die Frauenseite. Das Bedürfnis mich selbst an diese Wand zu stellen, oder wie viele andere einen Zettel in die Steinritzen zu stecken und dabei ein Selfie zu machen kam bei mir nicht auf. Das ist weder mein Glaube, noch möchte ich jemanden stören, der sich hier zum Beten einfindet. Tobi kam mit ähnlichen Erfahrungen von der Männerseite. Wir schauten uns das ganze Treiben aus einiger Entfernung noch ein bisschen an, bevor wir quer durch die Altstadt zum Neuen Tor schlenderten. An Essenslokalitäten in der Nähe unseres Hotels mangelte es nicht und nachdem ich es nachmittags mit dem Baklava so übertrieben hatte, gönnten wir uns bei Mr. Green Salate zum Abendessen.
Der Mittwoch startete auf dem Machane Yehuda Bazar. Hier findet das normale Leben statt, die Leute erledigen hier ihre täglichen Einkäufe – Brot, Gemüse, Fisch, Nüsse, Obst.
Wir sammelten uns beim Durchschlendern unser Frühstück zusammen. 2 Pitas hier, Labaneh und irgendwelchen anderen Käse da, ein paar Falafel und einen frisch gepressten Orangensaft.
Danach wollten wir ins Stadtviertel Mea Shearim in dem die ultraorthodoxen Juden wohnen. Hier geht es definitiv anders zu, Fremde sieht man gar nicht, eigentlich alle sind mit Samthut, Bart, Schläfenlocken und schwarzem Mantel bekleidet, Frauen alle mit Rock und hochgeschlossen, die Kinder wie Orgelpfeifen aufgereiht im Schlepptau. Es ist relativ dreckig auf den Straßen und obwohl uns niemand angesprochen hat, lässt uns das Gefühl hier nur geduldet zu sein, auch schnell wieder weiterziehen.
Mit der Tram fahren wir zum Mount Herzl. Was in den Bussen funktioniert – nämlich die RavKav Card einfach zweimal zum Abbuchen des Fahrtpreises an den Kartenleser zu halten, funktioniert leider nicht in der Tram, jede Person braucht so eine RavKav oder aber man löst vorneweg an der Haltestelle ein Papierticket.
Unser Ziel am Mount Herzl: Yad Vashem – nationale israelische Gedenkstätte.
Der Eintritt ist frei, Spenden werden angenommen. Der Aufstieg der Nationalsozialisten, Verfolgung und Ermordung der Juden, bis hin zu Berichten von Überlebenden ist dokumentiert mit unzähligen Bildern, Briefen, Videos, Plakaten, Zeitungen, Kleidung, persönlichen Gegenständen. Die Ausstellung ist riesig. Nach drei Stunden waren wir wieder draußen und hatten bei weitem nicht alles angeschaut. Mein Kopf fühlte sich an wie ein Ballon kurz vor dem Platzen und ich wünschte, niemand würde mich mehr fragen wo ich herkomme. Unsere Generation kann nichts mehr dafür, was damals geschah, trotzdem fühlte ich mich elend und erschlagen.
Umso mehr war ich erstaunt und auch dankbar, dass sich jeder mit dem wir uns unterhalten hatten, gefreut hat, dass wir dieses Land besuchen, sich für uns interessiert hat und wir nie verurteilt wurden, weil wir aus Deutschland waren.
Wir beendeten diesen Tag früh und lagen nach Falafel und Schawarma vom Imbiss um 21 Uhr im Bett. Die Rucksäcke waren für den nächsten Tag schon gepackt und der Wecker auf 6 Uhr gestellt.