Als ich um kurz vor 6 Uhr aufwache und auf die Toilette torkle färbt sich der Himmel über dem See bereits zart rot. Ich hab dafür aber noch nicht wirklich was übrig und lege mich wieder ins Bett. Ich hab Kopfschmerzen – hoffentlich vergehen die bis ich aufstehe. Um 6 Uhr klingelt dann der Wecker und ich mach ihn aus. Um 6:20 geh ich dann nochmal auf Toilette und leg mich wieder hin. Anja steht auf. Ich ignoriere den Tagesbeginn wegen Kopfschmerzen. Um ca. 7:30 stehe ich dann endgültig auf und nehme eine Schmerztablette. Um Punkt 8 Uhr sitzen wir dann beim Frühstück. Wir bekommen eine Kanne Tee, Brot, Käse, Tomaten, Butter, Pflaumenmarmelade und Spiegeleier. Alles was das Herz begehrt. Wir mampfen glücklich und genießen den Ausblick in Richtung See. Die Kopfschmerzen lassen dank Tablette nach, verschwinden aber nicht völlig.
Unser Tagesziel für heute ist es endlich mal das albanische Wort für Danke zu lernen – es ist nicht Formaldehyd (auch wenn Anja sich daran erinnert). Faleminderit heisst Danke auf Albanisch. Um kurz nach 9 Uhr haben wir bezahlt und fertig gepackt. Jeder hat einmal Faleminderit gesagt und damit für ein Lächeln gesorgt. Was ein einzelnes Wort in Landessprache bewirkt ist immer wieder erstaunlich. Die ersten km bis zur „größeren“ Straße sind von verzückten „oh guck mal ein Esel“ Rufen geprägt. Wir halten an und keiner von den Eseln will sich von Anja streicheln lassen. Die Enttäuschung ist groß. Als wir uns endlich von den Tieren losreißen können, also als ich endlich Anja losreißen kann fahren wir erstmal ein Stück des gestrigen Weges zurück über den Bergkamm. Kurven am Morgen vertreiben Kummer und Sorgen! Anmerkung Anja: „Aber Eselstreicheln können sie nicht ersetzen!“
Zurück in der Ebene mit den Obstbaumplantagen können wir die sonntägliche Feldarbeit beobachten. Während uns immer wieder dicke Mercedes mit noch dickeren Motoren überholen oder begegnen kommen auch immer wieder Esels-/Pferdekarren die Straße entlang. Auf den Feldern wird mit Muskelpower gearbeitet, nicht mit großem Gerät. In den Ortschaften und entlang der Straßen wird immer wieder das Erntegut feil geboten. Zwiebeln, Knoblauch, Äpfel, Kartoffeln, Birnen und noch einiges andere liegt an den Ständen. Immer wieder sehen wir heute auch Moscheen. Kirchen fallen uns fast keine mehr auf. Wir kommen an den Ohridsee und folgen dem Ufer auf der Westseite. Die Ostseite hatten wir 2018 erkundet. In Pogradec ist die Hölle los, gefühlt sind alle Menschen die hier leben auf den Straßen unterwegs. Zu Fuß, mit Rollern, mit Autos oder im Bus. Der Wahnsinn was hier für ein Gewusel ist.
Der Ohridsee ist glasklar und liegt ruhig im morgendlichen Licht. Wir genießen die Stimmung und setzen uns auf einem Parkplatz auf eine Bank. An der Uferstraße stehen jetzt ab und an Leute die frischen Fisch hochhalten und anbieten. Jeder hier versucht das zu Geld zu machen, was er selbst fängt, jagt oder anbaut. Wir verlassen den Ohrid See und schrauben uns in die Höhe, mal wieder über einen Bergkamm. Für einen Fotostopp halten wir nochmal an und beobachten wie hier auf dem Parkplatz ein paar Schüsse mit einem Paintballmarkierer auf Blechschilder als Unterhaltung angeboten werden. Und tatsächlich kauft sich jemand ein paar Schüsse. Anja gibt mir noch ein paar Globuli welche meine Allgemeinzustand heute etwas verbessern sollen… mal sehen. Auf der anderen Seite des Bergkammes steht in jeder Kurve wieder jemand der seine Waren anbietet. Die Kunden halten dafür abenteuerlich an und blockieren die Straße.
Wir folgen einem Tal welches von einer Straßenbaustelle durchzogen ist. Die schlechte kleine (aber wichtige Hauptroute) wird vierspurig ausgebaut. In einer Tankstelle freut sich ein Bube wie Harry über uns und winkt ganz dolle. Ein Auto welches vor mir fährt macht im Stau plötzlich die Türen auf und ein Mann lehnt sich heraus nur um mir nen Daumen hoch zu zeigen und zu winken. Wir werden hier wahrgenommen und freundlich begrüßt! Das macht Spaß! Irgendwo stoppen wir in der Pampa für eine Biopause und essen Birnen von gestern. Dann geht es unspektakulär durch sehenswerte Landschaft weiter im dichten Verkehr. An einem Cafe legen wir nochmal eine Pause ein. Ein Mokka und zwei Dosen Pepsi mit Kunststoffstrohhalm gönnen wir uns. Wir sind nicht in der EU. Auch die Kapseln der PET Flaschen lassen sich einfach abschrauben. Achja, der Wirt war äußerst freundlich, aber er hat Anja erstmal dezent ignoriert bis ich ihn darauf hingewiesen habe dass sie auch etwas bestellen möchte. Überhaupt sehen wir eigentlich nur Männer in den Cafes sitzen. Die Frauen sind bei der Hausarbeit, beim Kinder hüten oder irgendwo anders, aber nicht bei einem Mokka im Cafe. Die Pause hat saugut getan. Meine Kopfschmerzen sind auch endlich weg, die Globuli haben scheinbar geholfen oder das Koffeein.
Dann geht es weiter auf Schnellstraßen (mal besser mal schlechter) und teilweise auf Autobahn. Wobei Autobahn relativ ist. Auf der Autobahn dürfen laut Beschilderung z.B. nur Zweiräder über 250ccm fahren… interessiert keinen. 50ccm Mofas sind genauso unterwegs. Es laufen auch Leute rum und es werden Zwiebeln verkauft – auf der Autobahn. Es gibt Grundstückseinfahrten und geparkte Fahrzeuge. Albanische Autobahn ist nicht zu vergleichen mit dem was uns so geläufig ist. Tirana können wir nicht komplett umfahren. Anja findet es toll, sie muss mir ja auch nur hinterherfahren und nicht auch noch navigieren. Naja interessant ist es trotzdem die Stadt ein klein wenig anzuschneiden. An einer Kastrati (Tankstelle) stoppen wir für noch eine Biopause und ich esse nochmal eine Birne, Anja einen Apfel. Aufgrund unseres Obstbestandes fallen die Snacks heute sehr gesund aus.
Shkodra empfängt uns dann unerwartet ruhig. Wir hatten die Stadt viel wuseliger und hektischer in Erinnerung. Vielleicht liegt es aber auch an der Uhrzeit oder daran dass Sonntag ist. Das Garmin will uns entgegen der Fahrtrichtung in eine Einbahnstraße schicken, also muss ich ein bisschen improvisieren. Wir kommen relativ easy zum Red Bricks in welchem wir heute nächtigen wollen. Vor 6 Jahren waren wir bereits eine Nacht hier. Die Motorräder sollen wir auf dem Gehweg abstellen und sie werden durch eine Pylone gekennzeichnet. Dann packen wir ab und verwüsten das Zimmer. Ich springe direkt unter die Dusche, danach Anja. Noch schnell eine Orange aus Griechenland gegessen (die dürfen auch langsam weg) und ein paar letzte Kekse. Der Körper schreit irgendwie nach Industriezucker bei dem ganzen Obst den Tag über.
Wir laufen eine Runde durch die Fußgängerzone, essen Baklava und suchen uns dann eine Location zum Abendessen. Dazu laufen wir ein wenig aus dem Gewusel raus und bleiben etwas abseits im Taverna e Miqve hängen. Wir bestellen gegrilltes Gemüse, überbackenen Käse mit Paprika und Albanische Casserolle mit Rindfleisch, dazu gibt es noch Brot. Wir haben heute zurückhaltend bestellt und mal nicht übertrieben. Trotzdem sind wir nach dem Essen gut satt und es war saulecker! Dann geht es zurück zum Hotel, wir haben sogar wieder das gleiche Zimmer wie 2018 bekommen. Bilder sichern, Route für morgen planen, Unterkunft raussuchen und buchen, dann noch ein paar Gedanken zum restlichen Heimweg gemacht und diese Zeilen getippt. Schon ist es wieder fast 23 Uhr und das Bett ruft.
Unterkunft: The Red Bricks Shkodra